Es führen viele Wege nach Rom, genau so viele zu einem guten Steak. Jedoch nur einer, zu einem perfekt gegarten Steak. Um das perfekte Steak zu garen, müssen wir uns erst etwas mit der Theorie auseinandersetzen. Ich habe versucht es einfach zu erklären. Bei Fragen bitte Fragen.
Fleisch
Fleisch besteht in erster Linie aus Muskelgewebe, inklusive Sehnen und Bindegewebe. Das Bindegewebe und die Sehnen bestehen aus Kollagenen. Je mehr ein Muskel beansprucht wurde, umso kürzer und dicker sind die einzelnen Muskelfasern und umgekehrt.
Zartheit
Die einzelnen Fasern sind von Bindegewebe umschlossen und Bilden Faserbündel die wiederum von Bindegewebe umschlossen sind, und so weiter.
Je dicker die Fasern sind, umso mehr Kollagen ist enthalten und entsprechend zäher ist das Stück Fleisch. Siehe Filet vs. Wadenfleisch. Die Zartheit eines Stück Fleisch entsteht größtenteils bei der Reifung. Die Fleischfasern werden durch spezielle Enzyme (Calpaine) zersetzt und sind dadurch leichter zu kauen. Dieser Prozess, Proteolyse genannt findet einmal bei der Reifung, aber auch beim Garen statt. Am Besten wirken die Enzyme bei 48°C kurz vor der Deanturierungstemperatur. Über 48°C werden diese inaktiv und damit wirkungslos. Sehr schön sieht man die einzelnen Muskelfasern z.B. bei einem Flanksteak.
Saftigkeit
Unter Saftigkeit verstehen man den primären Feuchtigkeitsgehalt eines Stück Fleisches beim Anschnitt. Ein saftiges Stück Fleisch kann später beim Kauen eine trockenes Mundgefühl verleihen. Dies ist oft bei Kalbsrücken der Fall.
Succulenz
Unter Succulenz verstehen wir das Mundgefühl, welches beim Essen entsteht. Speichel mischt sich mit dem Fleischsaft und den lösten Fetten und macht das Essen zum Genuss. Ein saftiges Stück Fleisch muss deshalb nicht zwingend ein angenehmes Gefühl erzeugen. Es kommt auf die Mischung Fleischsaft und geschmolzenes Fett an.
Was schmeckt?
Im Fleisch selber schmecken wir Fettsäuren & Peptide. Fettsäuren entstehen durch enzymatischen Abbau der Fette während der Reifung. Dieser Prozess wird Lipolyse genannt. Je marmorierter ein Stück Fleisch ist, umso mehr Geschmack kann bei der Reifung entstehen. Peptide entstehen durch enzymatische Spaltung von Proteinen und sind kleine Bruchstücke davon. Peptide wiederum bestehen aus Aminosäuren. Eine davon ist die Aminosäure Glutamin, welche geschmacksverstärkende Eigenschaften hat. Die Lipolyse scheint langsamer als die Proteolyse zu verlaufen. Dies zeigt sich m.E. daran, dass ein Stück Fleisch beim Reifen nach 30 Tagen keine merkliche Zunahme de Zartheit zeigt, wohl aber an Geschmack zunimmt. Ein weiteres Indiz ist die Beutel-Trocken Reifung von schon nassgereiftem Fleisch. Hier ist der Zartheitsprozess ebenfalls abgeschlossen. Es lassen sich aber trotzdem die typischen Dry Aged Aromen generieren. (DRANSFIELD, E. (1994): Optimisation of tenderisation, ageing and tenderness, Meat Science, 36, S. 105-121.)
Nach dem Anbraten schmecken wir die Röstaromen. Die entstehen durch die sogenannte Maillard-Reaktion.
Qualität/Grösse
Ich kaufe nur Fleisch von höchster Qualität und aus nachhaltiger Aufzucht. Frei nach Martin Hesterberg: „Esst weniger Fleisch, dafür besseres“. Wenn trocken gereift mindestens 30 Tage alt, wenn nass gereift min. 3 Wochen alt. Ich bevorzuge Fleisch von Tiere mit einem Schlachtalter von mindestens 24 Monaten. Diese geben das schmackhafteste Fleisch. Wenn dies nicht vorhanden ist folgen, Färsen. Gibt es die auch nicht, mache ich Pulled Pork oder Hühnchen. Jungbullen haben in der Regel zu wenig Geschmack, da intramuskuläres Fett wenig bis gar nicht vorhanden ist. Ob Roastbeef, Entrecote, Ribeye, Filet oder „neuen“ Zuschnitte wie Flank, Onglet, Hanging Tender etc. pp. muss jeder selbst entscheiden.
Steaks sollten immer dick sein. Hier gilt: „Size matters“, mindestens 4 cm (eher mehr). Wenn man bedenkt, dass die Bratkruste ca. 2 mm dick ist (beide Seiten), sind dies bei einem Steak mit 1 cm Dicke schon 20%, bei 4 cm hingegen gerade mal 5% totgebratenes Fleisch.
Vorbereitung
Am Besten nimmt man das Fleisch direkt aus dem Kühlschrank. Durch die niedrige Anfangstemperatur, bleibt das Fleisch während des Garprozesses länger bei niedrigen Temperaturen. Dadurch sind die Enzyme länger aktiv (s.o.). Es dauert zwar etwas länger, das Ergebnis ist aber ein zarteres Stück Fleisch.
Anbraten/Angrillen
Beim Anbraten oder Grillen entstehen die gewünschten Röstaromen, welche für den Geschmack eines Stück Fleisches verantwortlich sind. Dies sollte so heiss und so schnell wie möglich von Statten gehen. Nicht dass sich die Poren schliessen, da es die nicht gibt, sondern wegen dem Geschmack. (Wäre das Steak dicht, würde es sich beim Braten aufblasen wie ein Luftballon) Durchgeglühte Holzkohle liefert dabei den besten Effekt, da sie den grössten Wärmefluss mit ca. 11 W/cm2 hat. Erwähnenswert sind hier auch Keramikkatalysebrenner wie die Sizzle Zone oder der Beefer, die auf einen vergleichbaren Wärmefluss kommen . Ordinäre Gasgrills dagegen, liefern mit 5 W/cm2 eher erbärmliche Ergebnisse. Beste Ergebnisse habe ich bisher auf einer glühenden Plancha erzielt. Hier ist der Energiefluss auf die Fleischoberfläche meines Erachtens am Besten. Die Reaktionsgeschwindigkeit der Maillard-Reaktion kann man noch erhöhen indem man u.a. den pH-Wert der Fleischoberfläche erhöht. Dies macht man am besten mit einer Mischung aus Natron, Zucker, Jus und Erdnussöl (Booster) mit der man das Fleisch vor dem Anbraten einreibt.
Garen
Das Garen sollte so langsam wie möglich von Statten gehen. Nur so ist garantiert, dass die Calpaine so lange wie möglich ihren Dienst tun. Daher ergeben auch alle Niedertemperaturgarmethoden so hervorragende Ergebnisse.
Sous Vide
Sous Vide hat viele Vorteile. Der Wichtigste ist meines Erachtens die exakte Steuerung der Gartemperatur mit dem verbundenen Ausschluss von Sauerstoff. Dadurch kann eigentlich kein Übergaren erfolgen und Aromen werden nicht unnötig oxidiert. Ein Texturabbau welcher zu einer Qualitätsverminderung führen könnte, ist meines Erachtens erst ab 10h Garzeit zu beobachten. Das heisst im Umkehrschluss man kann ein Stück Fleisch auch 5h im Bad lassen.
2 h 54°C -> 1 min pro Seite 250°C
Bei Dry Aged habe ich schon die Erfahrung gemacht, dass manche Stücke eine „gummibärchenartige“ Textur ergeben. Dies scheint aber einer inkonsistenten Fleischqualität geschuldet zu sein, da der Effekt nicht reproduzierbar ist und nur ab und zu auftritt.
Backofen /Pfanne
Man kann das Steak erst anbraten und dann im Backofen garen oder umgekehrt. Ich empfehle das Vorgaren im Backofen und dann anbraten. Es ergibt einen konsistenteren Gargradient.
15 min 120°C -> 1,5 min pro Seite 250°C -> 5 min 20°C
Grill/Smoker
Der Klassiker unter den Grillern ist die sog. 90/90/90/90 Methode. Hierbei wird ein Steak bei starker, direkter Hitze 90 sec. gegrillt um 90° horizontal gedreht und wieder 90 sec gegrillt. Dann um 90° vertical gedreht und das Procedere wiederholt. Dies gibt zwar ein schönes Muster auf dem Fleisch und ein nettes Bild für Facebook, das wars dann aber auch. Immerhin fehlen je nach Rost, bist zu 30% Röstaromen. Dann wird das Steak bei indirekter Hitze fertig gegart.
3 min pro Seite 200°C -> 15 min 150°C -> 5 min 20°C
Mein perfektes Steak
Für mich ist das perfekt gegarte Steak ein Produkt aus mehreren Garmethoden. Ich bevorzuge ein leicht gesmoktes Steak. Sous Vide gegart und bei höchst Temperatur gebräunt. Mit einer Demi Glace glaciert und mit Salzflocken bestreut serviert, ist es ein Traum.
5 min Rauch 90°C -> 5 min 20°C -> 2 h 48°C SV -> 1 h 54°C SV-> 1 min pro Seite 950°C auf Gussplatte mit Booster
Ruhen
Nach dem konventionellen Garen (Nicht Sous Vide) sollte das Stück Fleisch ruhen. Nicht, damit sich irgendwelche Säfte verteilen (Da zirkuliert nämlich nichts mehr, wie auch ohne Pumpe), sondern damit ein Temperaturausgleich zwischen der sehr heissen Oberfläche und dem Inneren eintritt. Wichtiger noch ist die Verdickung der gelösten Proteine mit dem Fleischsaft. Die Temperatur im Steak wird gesenkt, bei gleichzeitigem Anstieg der Viskosität. Dadurch läuft weniger wertvoller Fleischsaft raus. Dies sollte nach Möglichkeit offen auf einem Holzbrett geschehen und keinesfalls in Folie. Dadurch wird das Fleisch nämlich isoliert und die erwünschte Verdickung kann nicht eintreten. Der Saft ist dann in der Folie und nicht im Fleisch. Im Sous Vide Bad gegartes Fleisch kann hingegen sofort serviert werden.
Selbstverständlich ist dies nicht der Weisheit letzter Schluss. Daher freue ich mich auf Fragen, Anregungen und eine spannende Diskussion.
Nota bene!
- Fleisch hat keine Poren.
- Fleischsäfte verteilen sich nicht.
- Fleisch offen ruhen lassen.
- Fleisch kann direkt aus dem Kühlschrank auf den Grill/Pfanne/etc.
- Fleisch kann man mit einer Gabel beim Wenden einstechen.
- Fleisch kann man vorher oder nachher salzen. Dies ist piepegal.
- Fleisch immer auf vorgewärmten Tellern servieren (mind. 60°C).
- So langsam wie möglich garen & so heiss wie möglich anbraten
Außer dass ich succulenz nicht finde (außer in der Biologie, was aber Ausbildung fleischig-saftiger Wasserspeichergewebe bedeutet). Toller Bericht!
Micha,
Du bist mein Erklärbär. ….. Nein mein Erklär-Gott!! Solche Beiträge und wirklich aufwändig gemachten Erklärungen sind es, die mich seit Jahren voran bringen. Nicht zuletzt (eher an vorderer Stelle )durch Deine Infos (z.B. Mythos PP)stehe ich heute da, wo ich grill -technisch stehe.
Vielen lieben Dank dafür!!
Danke für die Ausführungen Herr Dr..
Moinsen,
eine klitzekleine Kleinigkeit erschließt sich mir nicht:
5 min Rauch 90°C -> 5 min 20°C -> 2 h 48°C SV -> 1 h 54°C SV-> 1 min pro Seite 950°C
ich interpretiere das folgendermaßen:
5 min im Smoker o.ä. bei GT 90°C
5 min bei 20°C, heißt das bei Raumtemperatur abkühlen lassen?
2 Std. sous vide bei 48°C und 1 Std. sous vide bei 54°C und eine min pro Seite unter dem z.b. Beefer kapiere ich dann wieder. Aber was macht mein Steak 5 min. bei 20°C?
Wenn Du auf die sous vide Aktion verzichten würdest, wie würdest Du es dann zubereiten, vllt. so (medium rare): Im Smoker bei niedrigster steuerbarer GT (Ziel 90°C) bis KT 48°C und dann je 1 min unter den Beefer? Oder doch eine höhere KT?
Ansonsten megageiler Bericht! Vielen Dank für Deinen Einsatz!!!!
VG
Kai
Hi Kai
Die 5 min hast Du wenn Du das Stück in die Küche zum Einvakuumieren trägst. Auch geht etwas vom „groben“ Rauchgeschmack weg, da es etwas auslüftet. Im Smoker auf 53°C (Medium rare) und dann unter den Beefer. 48°C ist mehr als bleu.
Gruss Micha
Vielen Dank … ein toller Bericht mit vielen Facetten.
Allerding mache ich eine Einschränkung: Die „verlinkte“ Plancha ist nicht wirklich eine Plancha, sondern eine Grillplatte. Eine echte spanische Plancha sieht so aus:
http://plancha-grillen.com/WebRoot/Store18/Shops/b52deee3-f782-45fd-bc47-09a86246f2b8/542D/54EE/6F61/B69E/F901/0A48/354D/BA3F/962656281424.png
Hallo Micha,
kannst du kurz beschreiben wie du das Fleisch am Ende glasierst? Und benutzt du eine klassische französische Demi Glace?
Beste Grüße,
Josch
Hallo Josch
Ganz klassische Demi Glace.
Beste Grüsse
Micha
Super erklärt,echt Klasse!!!
Nicht zwingend, denn die Grillplatz kannst umdrehen und dann hast eine Plancha. Das Bild ist unglücklich.
Sehr interessanter Artikel mit guten Erklärungen und einigen neuen Tipps!
Zum Punkt „Mein perfektes Steak“ hätte ich ein paar Fragen:
1. Wie bekommt man eine Gussplatte auf 950°C? Das heißeste (laut Werbetext) mir bekannte ist der Beefer mit 800°C.
2. Beim Anbraten verwendet man wohl kein Öl mehr? Oder welches Öl würde diese Temperatur (950°C) aushalten?
3. Gewürzt wird offenbar nur im Nachhinein (Salzflocken + Demi Glace)? Das Steak kommt direkt aus dem Kühlschrank ohne weitere Behandlung in den Smoker -> SV -> Gussplatte?
Würde mich über die zusätzlichen Infos freuen, damit ich mir den kompletten Prozess besser vorstellen kann! 🙂
Hallo Georg
Danke für Deine Fragen:
1.) Wenn die Gussplatte rotglühend ist hast Du 950°C. Die 800°C des Beefers als Strahlungswärme auf der Steakoberfläche Zweifel ich an.
2.) Kein Öl hält das aus. Man kann, zur besseren Wärmeleitfähigkeit, das Steak etwas mit Öl einreiben.
3.) Ich nehme die Steaks direkt aus dem Kühlschrank und habe noch keinen merklichen Qualitätsverlust gehabt.
lg Micha
Huhuuu Micha, auch hier nochmal vielen lieben Dank für den tollen Artikel – man bzw. frau lernt nie aus!!
Liebe Grüsse aus dem Nachbarort Zienken 🙂
Hallo Francoise,
Da freut mich, dass es Dir gefallen hat. Gruss zurück.
Micha
Du schreibst: «Ich bevorzuge ein leicht gesmoktes Steak. Sous Vide gegart und bei höchst Temperatur gebräunt. Mit einer Demi Glace glaciert und mit Salzflocken bestreut serviert, ist es ein Traum.» Das mit der Demi Glace ist ein genialer Tipp! Mach ich die Demi Glace vor dem Anbraten drauf, oder mach ich sie separat warm und bestreiche das Fleisch vor dem Servieren?
Ich habe es vor dem Anbraten drauf gemacht und danach auch nochmal.
Wirklich klasse Beitrag.
Ich wollte aber nochmal bezüglich dem Ruhen lassen nachfragen. Bisher dachte ich immer, dass durch die hohe Hitzeeinwirkung der Fleischsaft aus den Proteinsträngen herausgepresst wird und sich zwischen den Muskelsträngen ansammelt. Durch das Ruhen entspannen sich die Muskelstränge und binden wieder einen Teil des Saftes. Ist diese Begründung für das Ruhen dann falsch?
Warum kann man aber beim SV- Garen auf die Ruhephase verzichten? Das Fleisch wird nach dem SV-Garen anschließend doch scharf angebraten( auf dem Grill, der Pfanne, einem OHG o.ä.), sodass es doch auch hier zu einem Temperaturunterschied zwischen der sehr heissen Oberfläche und dem Inneren kommt!?
Zum Verteilen der Fleischsäfte: ich habe gerade mich vor kurzem zu diesem Thema ausgetauscht, da ich gelesen habe, dass durch die Ruhephase ein vorhandener grauer Bratenrand teilweise wieder verschwinden würde. Ich selbst konnte das weder bestätigen noch dementieren. Die Aussage ließ sich für mich nur so erklären, dass sich in der Ruhephase das nicht denaturierte Myoglbin im Fleisch wieder verteilt (der graue Rand entsteht ja durch das Denaturieren von Myoglobin) und somit Bereiche, in dem ursprünglich das Myoglobin schon denaturiert ist, wieder rot werden!?
Wenn sich die Fleischsäfte im Steak aber nicht verteilen können, sollte es gleichzeitig auch nicht möglich sein, dass der Bratenrand durch das Ruhen zurückgeht, oder?
Würde mich über eine Antwort sehr freuen